Das Abfahrtsdatum rückte näher. Am 31.7.2022 sollte es morgens um 4.30 Uhr losgehen. Mit Santana von Hamburg zunächst nach Glückstadt und dann weiter Richtung Helgoland.
Wir haben in Harburg noch viel zu tun. Die achtere Kammer – unser „Schlafzimmer für ein Jahr“ – ist noch nicht ganz fertig. Wir haben diese Kammer komplett entkernt, den Stahl neu konserviert, gemalt und neu gedämmt. Das Design ist zusammen mit unserem Bootsbauern Michael und Alex sowie Peter entstanden. Alle haben tolle Ideen eingebracht und uns fachmännisch Möglichkeiten und Grenzen aufgezeigt.
Nun muss noch eingekauft und gestaut werden, die Fässer müssen noch an Bord, unsere Container sind noch zu räumen und 1000 Kleinigkeiten auf verschiedenen To Do Listen liegen an.
Trotz vieler Hilfe eine anstrengende aber auch schöne Zeit. So viele Freunde helfen Tage, Stunden, Wochen lang. Und immer wieder die Frage: „Seid ihr schon aufgeregt?“ Nein, sind wir nicht. Wir sind teilweise noch im Refit-Flow und die eigentliche Reise scheint noch weit weg – nur ein Blick auf den Kalender sagt uns: jetzt geht es wirklich bald los. Und dann sind wir eher entspannt und wir freuen uns, dass es endlich losgeht. Endlich in Ruhe segeln, kein Lärm, keine To Do, genießen, was wir in 2 intensiven Jahren vorbereitet haben.
Wir sind nicht aufgeregt, sondern fühlen uns gut vorbereitet. Die vielen Sorgen unserer Freunde in Bezug auf unser Projekt haben wir ernst genommen und sie haben uns angespornt, uns noch besser vorzubereiten, so viele Eventualitäten wie möglich abzudecken und konzentriert ohne Hektik und Druck zu starten.
Für mich ist diese Reise immernoch nicht real. Häufig denke ich: es kann doch nicht sein, dass wir das jetzt wirklich machen? Wir segeln um einen Teil unseres Planeten, erkunden einen Ozean und das alles zu zweit mit einem 20m-langem Segelschiff. Wind and Weather depending. Innerhalb von 24 Stunden könnten wir überall auf der Welt sein, wenn wir den Hafen gegen den Flughafen tauschten. Aber es geht uns nicht darum, woanders zu sein, sondern wir wollen woanders ankommen. Mal geplant, mal ungeplant. Wir wollen unterwegs sein und die Größe unseres Planeten spüren. In einer Zeit, wo alles von überall her in wenigen Stunden geliefert werden kann, wo ich per Streetview durch die Straßen aller Städte weltweit schlendern kann ist alles klein geworden und erscheint so nah. Wir wollen das Abenteuer „Welt“ spüren, die Veränderungen mit jeder erkämpften Seemeile wahrnehmen und Wetter und Wind als Richtschnur unseres Handels akzeptieren.
Heute Nacht sind wir nun zwei Wochen unterwegs. In diesen zwei Wochen haben wir eine Strecke geschafft, die mit dem Auto von Hamburg aus in wenigen Stunden bewältigt sein könnte. Aber was erlebt man in einem Auto? Auf Santana haben wir Schweinswale gesehen, eine Möwe und eine riesige wunderschöne Libelle eskortiert. Wir haben die Macht der Gezeiten gespürt und im Texelstroom geflucht. Wir hatten Sonnen- und Mondauf- und untergänge, die man nicht fotografieren braucht, sondern die sich auf der Netzhaut und im Herzen einbrennen. Wir haben tolle Menschen kennengelernt, die uns ein Stück an Land und ein Stück auf See begleitet haben.
Das alles und noch viel mehr in 14 Tagen.
Heute Nacht abseits von Amsterdam und Den Haag auf der Nordsee spüren wir die Weite und die die absolute Stille. Santana lässt sich vom Strom schieben als bräuchte auch sie ihre Auszeiten. Wir verwachsen mit unserem Schiff und dem Meer und genießen es, das Land meistens nur in der Ferne zu sehen und zu hören.
Wir sind losgefahren und ich habe immer wieder gespürt, was es wirklich bedeutet, den Hafen zu verlassen. Der Schutz des Hafens hat eine unglaubliche Anziehungskraft. Diese „Komfortzone“ immer wieder zu verlassen, kostet manches Mal auch Überwindung. Was wartetet da draußen? Wie wird das Wetter? Wird alles funktionieren? Wo werden wir als nächstes ankommen? Wann werden wir das nächste mal ausschlafen? Wann eine heiße Dusche genießen? Wir wissen es nicht. Wir freuen uns darauf und werden wie in jedem unserer bisherigen Häfen uns wie Helden fühlen, weil wir es wieder eine Etappe weiter geschafft haben. Aber wir wissen auch, wenn die Leinen wieder fest sind dauert es nicht lange, bis wir wieder los müssen. Müssen, weil es uns hinaus zieht, weil das Leben an Land zu viel Ablenkung bietet und das Leben an Bord und nur die Geschwindigkeit des Segelns es unseren Seelen ermöglicht, mitzukommen.
Wir grüßen Familie und Freunde an Land und versuchen, euch hier ein bisschen teilhaben zu lassen.
Danke dass es euch gibt, wir vermissen euch. Aber wir mussten einfach los.
Bis bald.
Katha und Klaus
Bin schon neidisch, aber hätte nicht den Mut, diesen Törn zu machen.
Bitte mehr an Infos über eure kleine große Welt.
Weiter geht es, weiter bleibt mein Herz bei euch. Jeden Tag schaue ich, wo ihr seid.
Boah! Mal so richtig einen rausgehauen, sehr geil, habt n schöne Reise👋
Danke! Vermissen euch schon sehr!