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Von der Normandie in die Bretagne

Sanft wiegt sich Santana in der müden morgendlichen Brise. Der Geruch von Meer und Fisch liegt in der Luft und das Motorengeräusch eines kleinen Krans, der unermüdlich auf der nahe gelegenen Fischfarm arbeitet, durchdringt die Stille. Umgeben von Felsen haben wir hier vor Trébeurden in der Nordbritannie Schutz gesucht und gefunden. Wegen des starken Stroms haben wir 70m Ankerkette ausgeworfen bis sicher war, dass der Anker hält. Das mühevolle Hochkurbeln ist es allemal wert, wenn man dafür eine Nacht in Ruhe schlafen kann.

In der vergangenen Nacht haben wir nämlich ziemlich wenig Schlaf bekommen. Wenn es die Situation zuließ und ich mich von Deck verabschiedete während Klaus die Stellung hielt, lag ich wie so häufig eher wach in der Koje. Auf der einen Seite müde und kaputt ob der vielen neuen Eindrücke und Naturgewalten, die jedes Segelmanöver aber auch jede kleinere Aktion wie Kaffee kochen zur Herausforderung werden lässt. Auf der anderen Seite hellwach. Jedes Geräusch wird versucht einzuordnen, jede Bewegung des Schiffes analysiert in Bezug auf sich verändernde Strömungen und Winde.

Die Meilen schwinden unter dem Zirkel dahin – wo können wir morgen sein?

Unter Deck fühlt sich Segeln, Wind und Welle einfach ganz anders an als an Deck. Es ist laut. Jede Berührung eines Tampons am Mast klingt wie ein Peitschenhieb und das Auf und Ab des Hecks (zum Glück schlafen wir nicht mehr im Vorschiff) kommt unerwartet.

Um 13.12 Uhr haben wir in Cherbourg das Bassin du Commerce verlassen. Hier waren wir willkommen, mussten nicht mal Liegegebühren bezahlen und haben an der Kaikante viele nette Komplimente von Touristen wie Einheimischen bekommen. Klaus war vor allem immer von Kommentaren und dem Interesse englischer und französischer Besucher angetan. Die großen Seefahrernationen müssen es ja wissen und loben sicherlich nicht jedes Schiff. Es tut gut, dieses Feedback zu bekommen und wir erläutern pausenlos auf französisch, englisch und deutsch das Alter unserer Santana und unsere geplante Reiseroute.

Nun aber kehren wir dieser wunderbaren Stadt im Meer – wie Klaus sie nennt – den Rücken zu und begeben uns wieder hinaus auf den Atlantik, der sich für uns immer noch wie die Nordsee anfühlt. Schon in der Grand Rade, dem geschützen mehrere Kilometer umspannenden Außenhafen von Cherbourg beginnt Santana zu tanzen. Wir ziehen unsere Westen an und laschen noch schnell ein paar Dinge, denn wir ahnen, was uns draußen blüht.

Kaum haben wir die geschützte Festung verlassen, treffen uns die Wellen und der Wind direkt von vorn. Santana hebt sich mehrere Meter in die Höhe und arbeitet sich voran. Der Strom kippt gerade – so hatten wir es geplant – zu unserem Gunsten. So haben wir wenigstens nicht die unschöne Situation Strom gegen Wind. Aber auch so wird das Segel setzen zu zweit wieder zur Herausforderung. Wir beschränken uns auf den Schoner und die Genua. Mehr kriechend als stehend, eher motivierend fluchend als lachend kämpfen wir um jeden Meter, den wir Piek und Klau unseres kleineren Gaffelsegels durchholen. Dann ist es geschafft und als der Motor ausgeht und nur noch Wind und Strom uns leiten, kehrt wieder mehr Ruhe ein. Der Druck aber ist groß. 6 Stunden, dann kippt der Strom und wie haben Wind gegen Strom. Zu diesem Zeitpunkt wollen wir gerne die Kanalinseln nördlich passiert haben, um dann auf Südwestkurs gen Nordbrittanie zu gehen.

[Klaus schreibt dazu:] Am westlichen Ausgang des Kanals bei der Halbinsel Cotentin (an deren nördlichen Ufer Cherbourg liegt) und den Kanalinseln Alderney, Guernsey und Jersey gibt es extreme Gezeitenströme. Diese werden noch durch das Cap de la Hague und dem damit verbundenen Kapeffekt verstärkt. Berühmt und berüchtigt ist das Alderney Race, der Strom zwischen dem englischen Eiland Alderney und der Halbinsel Cotentin.

Wir umfuhren daher die Kanalinseln und passierten sie im Norden und Westen – das war spannend genug für uns zumal wir in Böen 7 Beaufort auf dem Windanzeiger stehen hatten.

Der Kapeffekt verstärkt sich hier extrem dadurch, dass der Gezeitenstrom durch die Ablenkung durch das Kap und die Inseln sich beschleunigt und außerdem durch die geringere Wassertiefe Wassermassen nach oben drückt. Das sieht aus wie Wasser kurz vor dem Kochen – nur größer. Es entstehen also glatte Flecken, die man an der Oberfläche gut erkenne kann, machen wir keine Fahrt mehr durchs Wasser, denn das kommt von unten! Ohne Fahrt durchs Wasser hatten wir aber oft auch kaum noch Ruderwirkung und mussten mit Maschinenhilfe das Ruder anstrahlen, um Steuern zu können.
Ich muss diese Flecken nochmal beschreiben: die Oberfläche ist glatt wie eine leicht wabernde Puddingdecke. Sie sind unterschiedlich groß – zwischen 15 und 20 m. Zwischen diesen Flecken steht eine kurze unangenehme Welle.

Als wir diesen Bereich passiert hatten, mussten wir im Schiff gründlich aufräumen…

Meeno Schrader beschreibt in seinem Buch „Das Wetterbuch für Wassersportler“, dass der Bereich um Kap und Inseln im Bereich des Alderney Race und hinter den Kanalinseln für kleinere Boote für sehr gefährlich und wir waren froh, dass unser Schiff nicht kleiner ist.

Wir schaffen es, aber es wird keine ruhige Nacht. Wir kämpfen uns durch und nehmen Plan C in Anspruch als um 11 Uhr morgens der Wind gedreht hat und uns wieder entgegenbläst bzw. kurz darauf sogar ganz einschläft. Die noch stehende Dünung macht es nicht leicht, dass Schiff auf Kurs zu halten, wir werfen die Maschine an und motoren zwischen die Inseln der Nordbrittanie.

Um 15.30 Uhr fällt der Anker und von uns jede Anspannung. Der Hunger ist groß und wir kochen, hören Musik und freuen uns, dass wir diese Passage so gut gemeistert haben. Danach fallen wir selig in die Koje.

Da liegen wir nun am 1. September vor der Kleinstadt Trébeurden an der Cote-d´Amor. Wir könnten Tage hier am Anker verbringen, aber die Wind- und Wettervorhersage treibt uns am Vormittag weiter. Wieder hinaus. Weiter ins Abenteuer.

Eindrücke aus Cherbourg und Umgebung

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Elbfee&Köni

    Was für schöner großer Weißer, wenn die Orcas Streit mit Euch suchen kommt entweder der Weiße oder die Crew des roten Hais vorbei ! Grüße an die Santana Crew 🦈

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